Röhrsdorfer Kita macht Kinder stark für das Leben


▪ Was können Eltern und Pädagogen Kindern heute zutrauen?

▪ Kindorientierter Übergang von der KiTa in die Schule – geht das? Und wie geht das?

▪ Welche Entwicklungschancen bietet der Hortalltag?

Antworten auf diese drei Fragen und einige mehr, sowie Einblicke in den Alltag einer nach dem offenen Konzept arbeitenden Kindertagesstätte, gab es gestern beim dritten Pleißaer Elternstammtisch. Nach zwei Veranstaltungen im Café „Wunderbar“, gingen die interessierten Eltern erstmals auf Tour. In zweieinhalb Stunden gewannen die Teilnehmer einen Einblick in Konzept und Arbeit der „Röhrsdorfer Kinderwelt“. Die von einer Elterninitiative getragene Einrichtung betreibt am Rathausplatz 6 in Röhrsdorf eine Kita und im Gelände und Gebäuden der Grundschule Röhrsdorf am Beethovenweg einen Hort. 

„Hilf mir, es selbst zu tun“

Nach einem kurzen Rückblick auf die beiden vergangenen Elternstammtische stellte Heike Parthum, Leiterin der Röhrsdorfer Kinderwelt, kurz das Haus mit seinen Standorten und das Konzept der Einrichtung vor. Letzteres steht selbstverständlich als Download auf der Homepage zur Verfügung.

Kurzgefasst steht das Konzept (siehe obiges Foto) auf mehreren Säulen. Die Gruppendynamik ist eine davon. In der Röhrsdorfer Kinderwelt heißt dies, dass die Kinder jeweils in altershomogenen (maximal altersnah gemischten) Gruppen begleitet werden. Auch die Erzieherin beziehungsweise der Erzieher steht in der Regel von der Krippe bis zum Ende der vierten Klasse an der Seite der Kinder. „Damit lassen sich Ziele ganz anders verfolgen. Zudem können die Pädagogen in der vierten Klasse die Früchte ernten, für die sie in der Krippe den Samen gelegt haben“, sagte Heike Parthum. Die zweite Säule ist die Entwicklung eines starken Ichs.

„Hilf mir, es selbst zu tun“, lautet die bekannteste Botschaft der Pädagogin Maria Montessori, die auch in der Röhrsdorfer Kinderwelt ihren Niederschlag findet.

„Alles, was die Kinder selbst tun können, sollen sie auch selbst tun“, sagte Heike Parthum. Im Umkehrschluss heißt dies aber nicht, dass die Kinder keine Hilfe bekommen, wenn sie diese benötigen.

Kinder entscheiden selbst, wann sie die Hausaufgaben machen wollen

Kerstin Radlböck, stellvertretende Leiterin der Röhrsdorfer Kinderwelt, erläuterte beim anschließenden Rundgang die Vorgehensweise bei den Hausaufgaben. „Das Sächsische Schulgesetz sagt ganz klar, dass die Hausaufgaben so gestellt werden sollen, dass die Kinder diese alleine lösen können. Ich wäre aber ein schlechter Pädagoge, wenn ich ein Kind mit seiner Not allein lassen würde“, sagte sie. Wenn diese Not allerdings 1/3 der Klasse oder gar mehr befällt, dann lässt sie die Hefter aber auch wieder einpacken und befähigt und ermutigt die Kinder, die Lehrerin am nächsten Tag zu bitten, die Aufgaben noch einmal zu erläutern.

Seit Beginn des Schuljahres 2018/2019 müssen die Kinder die Hausaufgaben nicht mehr im Hort machen – sie dürfen. Zwischen 13 und 15 Uhr ist Hausaufgabenzeit, die jeweils mit einer lauten, grünen Glocke eingeläutet wird. „Die Kinder können dann entscheiden, ob sie das Angebot der Hausaufgabenerledigung im Hort nutzen möchten oder nicht. „Die Eltern haben sich mit ihren Kindern dazu verständigt und geeinigt (nicht die Erzieher mit den Kindern!)“ sagte Heike Parthum. Die Mehrheit der Mädchen und Jungen entscheidet sich für die Erledigung der Hausaufgaben in der angebotenen Zeit. Der Vorteil: „Weil die Kinder die Hausaufgaben aus eigenem Antrieb machen wollen, sind sie viel motivierter, was sich auch in der Qualität der Lösungen widerspiegelt, wie uns die Lehrerinnen der Schule bestätigt haben“, sagte Heike Parthum. Wer die Hausaufgaben nicht im Hort löse, erledige diese dann zu Hause. Im Vorfeld haben die Pädagogen der Kita ihren neuen Ansatz der Hausaufgabenerledigung zwei Wochen lang getestet und ausführlich mit den Eltern und den Lehrerinnen der Schule in einem Gesamtelternabend ausgewertet, besprochen und in den Normalbetrieb übernommen.

Elterninitiative ist Träger der Röhrsdorfer Kinderwelt

Im Gespräch mit Heike Parthum und Kerstin Radlböck wurde immer wieder deutlich, dass die Elterninitiative, die als Träger der Röhrsdorfer Kinderwelt fungiert, ein großer Vorteil ist. Im Vergleich zu einem großen Träger haben die Röhrsdorfer flache Hierarchien, was wiederum zu schnellen Entscheidungen führt. Die Eltern unterstützen die Pädagogen nach Kräften, sei es bei Arbeitseinsätzen, beim Wandern, beim Feiern, bei thematischen Elternabenden oder bei Festen, mit denen die Kita auch das kulturelle Leben im Chemnitzer Ortsteil bereichert. Durch dieses Geben und Nehmen ist über die Jahre ein tragfähiges Netzwerk entstanden, von dem wiederum die Kinder am meisten profitieren.

Vertrauen in die Kinder ermöglicht viele Freiheiten

Das offene Konzept der Kita bringt es mit sich, dass die Kinder im Hort in der Regel selbst entscheiden können, wo sie sich aufhalten wollen und wie sie ihre FREIZEIT verbringen und gestalten. Die Erzieher sind Unterstützer, nicht Gestalter.

Es gibt einen größeren Außenbereich mit Klettergerüst und einen zweiten, etwas abseits liegenden Bolzplatz, der bei jedem Wetter von den Kindern genutzt werden kann. „Mit einem bereits in der Vorschulgruppe angebahnten Klammersystem an einer Tafel zeigen die Kinder und Pädagogen an, wo sie sich gerade befinden“, erklärte Heike Parthum. Im Inneren des Hortes gibt es verschiedene Themenzimmer – ein Kreativzimmer und ein Tanzzimmer gehören genauso dazu wie ein Bauraum. Im letzteren dürfen die Bauwerke übrigens so lange stehen bleiben, wie die Kinder an diesen arbeiten. Ein kleines Schild mit dem Namen oder dem Portraitfoto des Kindes zeigen den anderen Mädchen und Jungen, wer sich gerade mit dem Bauwerk beschäftigt.

Zum Vertrauen in die Kinder gehört auch, dass sie die gut 400 Meter zwischen Hort auf dem Schulgelände und Kindergarten, in dem sich die Mensa befindet, ohne Pädagogen zurücklegen können. „Die Kinder gehen mindestens zu zweit den Weg und überqueren die Hauptstraße über eine Ampel, die durch hartnäckiges Engagement der Eltern erkämpft wurde“, sagte Heike Parthum. Sie gibt offen zu, dass Kinder auf dem Weg zwischen Hort und Kindergarten auch schon von Fremden angesprochen und ihnen Zigaretten angeboten worden – Vorfälle, die beim Gang mit einem Erzieher nicht passiert wären. „In der Gruppe sind die Kinder stark genug, ,Nein!´ zu sagen. Die gemeinsame Aufarbeitung eines solchen Vorkommnisses mit den anderen Kindern und die Bestärkung der Kinder für ihr richtiges Verhalten erfüllen Kinder mit Stolz und stärken ihr Selbstbewusstsein dahingehend ,Nein´ zu sagen, wenn sie alleine unterwegs sind.“

Kinder bringen sich ein

Kinder werden vor allem auch dadurch stark, dass sie ihre Meinung sagen dürfen und diese von den Pädagogen auch ernst genommen wird. In der Röhrsdorfer Kinderwelt ist das gelebter Alltag. So entscheiden die Kinder zum Beispiel über das Ferienprogramm. „Jeweils am Montag einer Ferienwoche werden in einer Kinderkonferenz von den anwesenden Kindern und Erziehern Vorschläge besprochen, was im Laufe der Woche gemacht wird. Das gemeinsame Diskutieren und das Finden von Kompromissen sowie die Methode des Abstimmens und das Aushalten von Abstimmungsergebnissen lernen Kinder somit im Alltag“, erzählte Heike Parthum.

Gibt es Probleme in einer Gruppe, werden die Kinder angehalten, Lösungsansätze zu suchen und zu finden. Diese Vorgehensweise ist geprägt von Versuch und Irrtum. Die Herausforderung des Erziehers bestehe dann darin, die Lösungsansätze zu akzeptieren und auszuhalten.

Fazit des Elternstammtisches on Tour

Die dritte Auflage des Elternstammtisches fasste Christian Wobst, Vorsitzender des Stadtelternrates Limbach-Oberfrohna e.V., am Ende so zusammen: „Wir haben viele gute Einblicke gewonnen, was Kindergarten, Hort und Schule für die Kinder erreichen können, wenn Eltern und Pädagogen an einem Strang ziehen. Es muss uns auch in Limbach-Oberfrohna gelingen, das Potenzial, dass sich aus einer guten Zusammenarbeit mit den Pädagogen ergibt, im Interesse der Kinder noch besser zu nutzen.“ Aus diesem Grund solle auch an den Elternstammtischen festgehalten werden.