Unter dem Titel „Frühe Bildung – was sagst Du dazu?“ diskutierten am Donnerstagabend Eltern, Erzieherinnen und Vertreter der Stadt und des Landkreises Zwickau drei Stunden lang im Esche-Museum.
Vor jeder halbstündigen Diskussionsrunde gab es jeweils zwei Impulse zu den drei Themenfeldern:
1. Bildungsplan und Lehrplan – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
2. Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften – Was braucht es zum Gelingen?
3. Chancen und Grenzen der Beteiligung von Kindern und Eltern in der Kita
Die Kita legt das Fundament des Lernens
Den ersten Impuls übernahm Ines Gläßer, die als Lehrerin an der Grundschule Kändler unter anderem seit vielen Jahren die Kinder beim Übergang von der Kita in die Schule begleitet (über das Konzept in Kändler hatten wir an dieser Stelle schon einmal berichtet). Egal, ob Eltern, Lehrer, Kita oder der jugendärztliche Dienst des Landkreises – „wir alle haben ein Interesse daran, dass der Übergang problemlos erfolgt“, sagte sie. Schließlich bedeute der Wechsel von der Kita in die Schule auch einen Übergang vom Spielen zum Lernen. „Das Lernen in der Schule ersetzt die Spieltätigkeit weitgehend“, so die gestandene Lehrerin.
Ihrer Erfahrung nach ist es ganz besonders wichtig, den Entwicklungsstand des Kindes beim Schuleintritt ganz genau einzuschätzen. Bisher hatten die Lehrer in Zusammenarbeit mit den Kitas relativ viel Zeit dafür. Die Klassenlehrer der neu zu bildenden ersten Klasse hospitierten in der Kita und die Kitagruppen waren zum Vorschulunterricht oder Vorschulnachmittagen in den Grundschulen zu Gast.
Nach der seit 1. August diesen Jahres gültigen neuen Grundschulverordnung liegt die Vorschulvorbereitung in den Händen der Kitas. „Wir als Grundschule sind gefordert, entsprechende Konzeptionen zu entwickeln, um auch weiterhin die Zusammenarbeit mit den Kitas im Interesse unserer Vorschüler bestmöglich zu gestalten“, so Gläßer. Die von der Grundschule bereits erarbeitete Konzeption umfasse eine genaue Zeitschiene sowie inhaltliche Aspekte zur Arbeit im Vorschulbereich. „Zu Beginn des Schuleintrittes werden wir für jeden Schüler die Lernausgangslage ermitteln, so dass wir in der Lage sind, jedes einzelne Kind zu fördern beziehungsweise zu fordern“, so Gläßer weiter.
Die Kita bilde das Fundament des Hauses „Lebenslanges Lernen“. Wenn das löchrig sei, gerate später das ganze Haus ins Wanken. Nach der Vorbereitung in den Kitas gehe es in den Grundschulen dann darum, die Leistungsunterschiede zwischen den Schülern auszugleichen. In der Oberschule oder dem Gymnasium werde erwartet, dass die Schüler selbstständig lernen.
Heike Parthum, Leiterin der Kita Röhrsdorfer Kinderwelt, brach eine Lanze für die Kinder. Sie forderte von den Eltern Achtsamkeit gegenüber den Kindern. Doch das dürfe nicht bedeuten, dass die Mädchen und Jungen überbehütet werden. Die ständige Präsenz von Erwachsenen schränke die Selbstständigkeit, die Selbstsicherheit, das Selbstbewusstsein, das Selbstwertgefühl, die Eigenverantwortlichkeit, die Ich-Kompetenz und die Konfliktfähigkeit der Kinder ein. Achtsamkeit forderte Parthum auch zwischen den Erziehungspartnern (unter anderem Eltern, Kita, Schule). „Ich würde mir wünschen, dass alle zusammen als Anwalt des beziehungsweise ihres Kindes in ihrem jeweiligen Bereich auftreten.“ Sie warb für ein neues Bild vom Kind, das sich ihrer Meinung nach am besten in dieser Formel zusammenfassen lasse: „Lass mich los und halt mich fest.“
Die Kita als Dienstleister für alles
Jens Kluge, Leiter des integrativen AWO-Kinderhauses Kuschelkiste in Zwickau und Sprecher des Graswurzelbündnisses „Die bessere Kita“, war für einen Impuls zum Thema „Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften – Was braucht es zum Gelingen?“ nach Limbach-Oberfrohna gekommen. Mit einem spontanen Sketch hielt er „Eltern, die Wind machen“, die die „Kita als Dienstleister für alles“ sehen und sie mindestens mitverantwortlich machen „für alles, was in der Familie nicht funktioniert“, den Spiegel vor. In seinen Augen müsse man das Thema „Kommunikation in der Kita“ ganz grundsätzlich betrachten. So wünsche er sich von den Eltern, dass diese beim Abholen nicht immer nur fragen, ob ihre Tochter geschlafen oder ihr Sohn gegessen habe, sondern sie ein umfassendes Interesse für das entwickeln, was in den Kitas passiert. „Wenn es uns gelingt, die Eltern für das zu interessieren, was ihr Kind jeden Tag in der Kita erlebt, dann stärken wir indirekt auch die Beziehung zwischen Kind und Eltern“, sagte er.
Kluge zeigte Verständnis für die Erwartungshaltungen der Eltern, warb bei diesen aber auch um Verständnis für die ErzieherInnen, die auch nur Menschen seien, die nicht jeden Tag hochmotiviert auf Arbeit gingen und denen auch Fehler passierten. Er warb für gegenseitiges Vertrauen aller Beteiligten, denn „Vertrauen ist die zentrale Grundlage für eine gelingende Zusammenarbeit“.
Silke Brewig-Lange, Vorsitzende des Stadtelternrates Chemnitz und Anwältin, gab anschließend einen Einblick in ihre Erfahrungen, die sie in den vergangenen Jahren gesammelt hat. „In jeder zweiten Einrichtung ist die Voraussetzung dafür, in einem Elternrat mitwirken zu dürfen, eine positive Antwort auf die Frage: Kannst Du einen Kuchen backen.“ Dabei sei Elternmitwirkung so viel mehr. Sie verwies auf §6 (1) des Sächsischen Kitagesetzes, wonach Eltern über die Elternversammlung und den Elternbeirat bei allen wesentlichen Entscheidungen zu beteiligen seien. Als Anwältin weiß sie, wie schwammig diese Formulierung ist. Aus diesem Grund wurde im Mai 2010 auf Initiative des Stadtelternrates ein Grundsatzpapier zur Gestaltung von Erziehungspartnerschaften zwischen den Eltern, den gewählten Elternräten, dem Stadtelternrat und den öffentlich geförderten Kindertageseinrichtungen beschlossen.
Prävention beginnt in der Kita
Christian Wobst, Vorsitzender des Stadtelternrates Limbach-Oberfrohna, gab einen Impuls zum Thema „Chancen und Grenzen der Beteiligung von Kindern und Eltern in der Kita“, den wir an dieser Stelle komplett zum Download bereitstellen. Anschließend warb Katja Reinhold, Präventionsexpertin der Stadtverwaltung Limbach-Oberfrohna, für die Partnerschaft für Demokratie. Sie verwies dabei auf die Projekte, die bereits gemeinsam mit dem Stadtelternrat durchgeführt wurden. Gleichzeitig stellte sie dar, dass die Partnerschaft für Demokratie nicht nur im Gymnasium, sondern auch in den Grund- und Oberschulen immer bekannter werde. „Wir können aber mit der Prävention nicht erst in der Grund- oder Oberschule anfangen, wir müssen die Kitas mit ins Boot holen“, sagte sie. Das stieß bei den Anwesenden auf große Resonanz. In der anschließenden Diskussion wurden bereits erste Ideen entwickelt.
Hintergrund der Veranstaltung
Die Dialogveranstaltung „Frühe Bildung! Was sagst Du dazu?“ wurde organisiert vom Limbach-Oberfrohnaer Netzwerk im Programm „Qualität vor Ort“. Dem Netzwerk gehören neben Eltern auch Erzieher und die Fachberatung des Landkreises sowie Vertreter der Stadtverwaltung Limbach-Oberfrohna an. Ziel der Mitglieder ist es, Eltern und Pädagogen sowie die interessierte Öffentlichkeit in der Stadt für ein gemeinsames Verständnis von frühkindlicher Bildung zu sensibilisieren. Das nächste öffentliche Netzwerktreffen findet am 25. September, 16 Uhr, statt. Der Ort wird noch bekanntgegeben.