Quer durch die Republik ist es Konsens, dass Schule nur funktionieren kann, wenn Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Schulleitungen und Schulträger an einem Strang ziehen. Nur bis zum Dezernat Jugend, Soziales und Bildung des Landkreises Zwickau hat sich das offensichtlich leider noch nicht herumgesprochen. Dort pfeift man auf die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern sowie Eltern bei wichtigen Themen wie der Streichung der Sozialarbeiterstellen an den Schulen des Landkreises. Ausschlaggebend dafür, welche Schule in den Schuljahren 2020/2021 bis 2024/2025 einen Schulsozialarbeiter bekommt, ist ausschließlich eine ominöse Prioritätenliste.
Wir fragen den Landrat – der Dezernent antwortet
Wir wollten gern von Landrat Dr. Christoph Scheurer (CDU) wissen, welche Prioritäten denn auf dieser Liste stehen. Unser Schreiben haben wir am 21. Juli 2020 verschickt, gestern hatten wir endlich die Antwort im Briefkasten. Nicht von Landrat Dr. Christoph Scheurer, dem Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses, sondern von Frank Schubert, dem Dezernent Jugend, Soziales und Bildung im Landkreis Zwickau.
Die Hintergründe
Demnach hat das Dezernat Jugend, Soziales und Bildung des Landkreises Zwickau gemeinsam mit dem Landesamt für Schule und Bildung Ende 2018 an allen allgemeinbildenden Schulen im Landkreis Zwickau abgefragt, inwieweit Bedarf an den Leistungen der Schulsozialarbeit besteht. Von 122 allgemeinbildenden Schulen beteiligten sich 99 Schulen, die allesamt Bedarf angemeldet hatten. Schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die zur Verfügung stehenden Mittel nur für 47 Schulen reichen werden. Ein engagiertes Amt hätte sich bereits zu diesem Zeitpunkt beim Freistaat für mehr Geld stark gemacht, zumal im § 1 Abs. 4 des Sächsischen Schulgesetzes schwarz auf weiß steht: „Für alle Schularten und Schulstufen sollen in angemessenem Umfang Ressourcen der Schulsozialarbeit (…) zur Verfügung stehen. Der Freistaat Sachsen und die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe arbeiten gemeinsam an der Finanzierung und Umsetzung dieser Aufgabe und wirken hierbei mit den Schulträgern zusammen.“ Auch in dem auf Landesebene geschlossenem Koalitionsvertrag von CDU, SPD und Grünen steht auf Seite 7 eindeutig: „Das Programm „Schulsozialarbeit“ wird fortgeführt mit der Zielstellung, dass unter Beteiligung der Schulträger an jeder allgemeinbildenden und berufsbildenden Schule Ressourcen der Schulsozialarbeit zur Verfügung stehen sollen.“
Mathematisches Modell statt transparenter Kriterien
Im Dezernat Jugend, Soziales und Bildung machte man sich aber nicht für mehr Geld stark, man erstellte lieber eine Prioritätenliste anhand der folgenden Indikatoren:
1. Soziale Belastung der Schule (versch. Indikatoren)
2. Schulart
3. Sozialraumbelastung
„Mittels eines mathematischen Modells entstand dann aus den Angaben in den Fragebögen und deren Bewertung die vorliegende und durch den Jugendhilfeausschuss beschlossene Prioritätenliste“, schreibt Frank Schubert, Dezernent Jugend, Soziales und Bildung in einer Antwort auf unseren Brief an den Landrat vom 21. Juli 2020. Diese Antwort macht die Prioritätenliste in unseren Augen nur noch ominöser. Inwieweit die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses die Tragweite ihrer Entscheidung seinerzeit beurteilen konnten, müsste noch einmal breiter diskutiert werden – immerhin kann man den Mitglieder zu Gute halten, dass sie seinerzeit von den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Familien und Schule noch nichts ahnen konnten. Die Pandemie hat für derart massive Verwerfungen gesorgt, dass es das Mindeste ist, dass zum Beginn des neuen Schuljahres an jeder Schule ein Schulsozialarbeiter zur Verfügung steht. Dass sich fast alle Schülerinnen und Schüler einen Schulsozialarbeiter wünschen, zeigte schon 2014 eine Umfrage des Landesschülerrates Sachsen.
Starkes Engagement an der Thomas-Müntzer-Grundschule
Für Limbach-Oberfrohna bedeutet die Entscheidung des Jugendhilfeausschusses, dass es an der Grundschule Pleißa sowie der Gerhart-Hauptmann-Grundschule und dem Albert-Schweitzer-Gymnasium – die beiden zuletzt genannten Schulen hatten nach einem Bericht der „Freien Presse“ keinen Bedarf angemeldet – ab dem neuen Schuljahr für die nächsten Jahre keine Schulsozialarbeiter-Stelle geben wird. Dem Engagement von Schulleitung, Elternschaft und Stadtverwaltung Limbach-Oberfrohna ist es zu verdanken, dass für die Thomas-Müntzer-Grundschule eine Lösung gefunden wurde, mit der die bisherige Schulsozialarbeiter-Stelle – wenn auch in einem verminderten Zeitumfang – weiterhin erhalten bleiben kann.
Bisherige Erfolge werden zunichte gemacht
Schulsozialarbeit ist seit vielen Jahren ein wichtiger Bestandteil in der sozialen Arbeit in Limbach-Oberfrohna. War zunächst ein bei der Stadtverwaltung Limbach-Oberfrohna angestellter Schulsozialarbeiter Ansprechpartner für alle vier Grundschulen im Stadtgebiet, verfügten diese seit dem Schuljahr 2018/2019 jeweils mindestens über eine/n SchulsozialarbeiterIn, der bei der Gafug mbH Oberlungwitz angestellt ist.
Frank Schubert, dem Dezernenten Jugend, Soziales und Bildung, scheint bekannt zu sein, dass Schulsozialarbeit nur dann eine Wirkung erzielen kann, wenn diese langfristig angelegt ist. Für den oder die Ersteller der ominösen Prioritätenliste war dies allerdings kein Grund, Schulen, die wie die Limbach-Oberfrohnaer Grundschulen schon länger einen Schulsozialarbeiter haben, zu priorisieren. Damit wird die ominöse Prioritätenliste vollends zur Farce.
Unsere Forderungen
- Das Dezernat Jugend, Soziales und Bildung sowie des Landkreises Zwickau stellen sicher, dass alle Schulen im Landkreis, die Bedarf an Schulsozialarbeit angemeldet haben, diesen mit Beginn des neuen Schuljahres zur Verfügung steht.
- Die Prioritätenliste, die der Entscheidung des Jugendhilfeausschusses zu Grunde liegt, wird mit allen relevanten Anhängen veröffentlicht.
- Der Jugendhilfeausschuss des Landkreises Zwickau überprüft seine Entscheidung zur Prioritätenliste vor dem Hintergrund der oben genannten Argumente (langjährige Schulsozialarbeit in Limbach-Oberfrohna, Bekenntnis zur Schulsozialarbeit im Schulgesetz und Koalitionsvertrag, Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Lebensräume Familie und Schule).
- Sowohl Dezernat Jugend, Soziales und Bildung als auch die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses greifen bei künftigen Entscheidungen auch auf den Sachverstand von Eltern sowie Schülerinnen und Schülern zurück, wenn es um Belange geht, die diese betreffen.
- Die Schulsozialarbeit an den Schulen im Landkreis Zwickau wird jährlich transparent evaluiert. Zudem werden jährlich die Bedarfe der einzelnen Schulen abgefragt.