Schulsozialarbeit: Die Aussagen des Landrates im Plausibilitäts-Check

Unter dem Titel „Schulsozialarbeit: Landkreis pfeift auf Beteiligung“ hatten wir am 19. August einen längeren Text veröffentlicht, in dem wir unter anderem den Umgang der Landkreisverwaltung mit dem Thema Schulsozialarbeit kritisieren. Basierend auf diesem Text erschien am 2. September unter dem Titel „Elternvertreter fordern: Jeder Schule ihren Schulsozialarbeiter“ ein längerer Text zu unserer Kritik in den „Freie Presse“-Lokalausgaben Zwickau und Chemnitz. Am Nachmittag des gleichen Tages fand im Verwaltungszentrum Werdau dann eine unter vielen Gesichtspunkten bemerkenswerte Sitzung des Jugendhilfeausschusses statt. Darüber hatten wir noch am gleichen Tag einen Text in unserem Blog veröffentlicht. Am 4. September berichtete dann die „Freie Presse“ in den Ausgaben Zwickau und Chemnitz über die Sitzung des Jugendhilfeausschusses.

Diesen Text wollen wir gern nutzen, um die Aussagen von Landrat Dr. Christoph Scheurer einem Plausibilitäts-Check zu unterziehen:

Aussage 1: Wenn alle Schulen, die einen Bedarf angemeldet haben, einen Schulsozialarbeiter bekommen würden, würde das drei Millionen Euro kosten.

Da wir die Sitzung nur über einen Lautsprecher im Foyer mitverfolgen konnten, wollen wir nicht die Hand dafür ins Feuer legen, ob dem Landrat die drei Millionen Euro zu teuer erscheinen. Bei der Frage, woher das Geld kommen könnte, hat er gleichwohl auf das Land verwiesen. In diesem Punkt gibt es zwischen dem Landrat und uns einen Konsens. Denn auch wir haben nie gefordert, dass der Landrat die Schulsozialarbeit aus seiner eigenen Schatulle bezahlen soll, uns aber gefragt, weshalb er sich offensichtlich, nachdem klar war, dass fast die Hälfte der Schulen im Landkreis, die Bedarf an einer Schulsozialarbeiterstelle angemeldet haben, leer ausgehen werden, nicht beim Land um mehr Geld bemüht hat. 

Fazit: Die Aussage des Landrates in plausibel. Jetzt muss es darum gehen, die notwendigen finanziellen Mittel zu akquirieren.

Aussage 2: An der Prioritätenliste lässt sich jetzt, wo das Schuljahr begonnen hat, nichts mehr ändern.

Wir müssen dem Landrat und den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses zu Gute halten, dass sie, als sie über die Prioritätenliste abstimmten, die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch nicht abschätzen konnten. Wir hatten aber erwartet, dass ein Ereignis wie diese Pandemie, die für kaum vorstellbare Verwerfungen in den Familien und Schulen gesorgt hat, bei dem ein oder anderen Mitarbeiter in der Verwaltung und dem ein oder anderen Mitglied im Jugendhilfeausschuss ein Nachdenken darüber auslöst, welchen Bedarf die Schülerinnen und Schüler jetzt und in den kommenden Jahren wohl im Bereich der Schulsozialarbeit haben werden. Wir gehen jedenfalls von einer deutlichen Zunahme des Beratungsbedarfes aus.

Wir sehen natürlich, dass die bestehende Prioritätenliste nicht einfach geändert werden kann. Deshalb ist unsere Forderung auch so eindeutig: Jede Schule, die einen Sozialarbeiter benötigt, bekommt auch einen.

Fazit: Die Aussage ist nicht plausibel, an Plänen lässt sich immer etwas ändern, die Verwerfungen der Corona-Pandemie erzwingen diese Planänderungen geradezu.

Aussage 3: Die lange Laufzeit dieser Prioritätenliste soll für die wichtige Kontinuität in der Schulsozialarbeit sorgen.

Dass Kontinuität für den Erfolg der Schulsozialarbeit elementar ist, sehen auch wir so. Aus diesem Grund fragen wir uns, weshalb die erfolgreiche Schulsozialarbeit zum Beispiel an der Grundschule Pleißa und der Thomas-Müntzer-Grundschule keine Berücksichtigung fand. Inwieweit an anderen Schulen im Landkreis erfolgreiche Projekte der Schulsozialarbeit einfach beerdigt wurden, können wir nicht beurteilen (nehmen aber sachdienliche Hinweise gern unter frage@stelli.org entgegen).

Fazit: Die Aussage ist plausibel, widerspricht aber dem Handeln der Verwaltung, in dem zwei Schulen in Limbach-Oberfrohna die Schulsozialarbeiterstellen einfach gestrichen werden. 

Aussage 4: Die Beteiligung von Eltern ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen.

Es mag sein, dass der Landrat die Eltern formell nicht beteiligen muss. In vielen Städten und Gemeinden, in anderen Landkreisen, in der Landes- und der Bundespolitik ist Bürgerbeteiligung – auch über die gesetzlich vorgeschriebene Verpflichtung hinaus – mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Vorausschauende PolitikerInnen haben erkannt, dass frühzeitige Bürgerbeteiligung für bessere Entscheidungen und mehr Akzeptanz der Entscheidungen in der Bevölkerung sorgt und Populisten weniger Raum für deren demokratiezersetzenden Argumente gibt.

Die Aussage, dass bei einer notwendigen Beteiligung der Kreiselternrat der richtige Ansprechpartner gewesen wäre und nicht ein 19 Mitglieder starker Verein wie der Stadtelternrat von Limbach-Oberfrohna, ist in unseren Augen völlig korrekt. Wir hatten gar nicht vor, auf Landkreisebene beteiligt zu werden, zu den betroffenen Schulen im Limbach-Oberfrohna aber sehr gern unsere Einschätzung abgegeben. 

Mit Schreiben vom 21. Juni 2020 wollten wir gern vom Landrat wissen, inwieweit die Elternvertretungen der Schulen im Landkreis Zwickau, der Kreiselternrat Zwickau, der Landeselternrat Sachsen und die Schülervertretungen auf Landes- und Kreisebene in die Erstellung der Prioritätenliste einbezogen worden sind. In seiner Antwort vom 14. August 2020 teilte uns Frank Schubert, der Dezernent für Jugend, Soziales und Bildung, nur mit, dass die genannten Interessengruppen nicht einbezogen worden sind. Frank Schubert sah es nicht als notwendig an, zu begründen, weshalb auf diese Bürgerbeteiligung verzichtet worden ist.

Im Jugendhilfeausschuss verlor Landrat Dr. Christoph Scheurer auch kein Wort über die Proteste von Limbach-Oberfrohnas Oberbürgermeister Dr. Jesko Vogel und von Schulleitungen. Für uns ist damit klar: Die Meinung der Bürgerinnen und Bürger seines Landkreises interessiert den Landrat herzlich wenig. Mehr als 30 Jahre nach der friedlichen Revolution in Sachsen ist das ein bedenklicher Umstand.

Fazit: Die Aussage ist nicht plausibel. Bürgerbeteiligung ist eine Selbstverständlichkeit.

Aussage 5: Eine Aufteilung der jetzt vorhandenen Schulsozialarbeiter auf mehrere Schulen ist aufgrund der Förderrichtlinie nicht möglich.

In der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt zur Förderung von Schulsozialarbeit im Freistaat Sachsen (FRL Schulsozialarbeit) vom 12. März 2020 heißt es unter „V. Art, Umfang und Höhe der Zuwendung“ in Absatz 5 in der Tat: „Pro Schulstandort werden bis zu zwei Vollzeitäquivalente und grundsätzlich nicht weniger als 0,75 Vollzeitäquivalente gefördert.“ Eine Aufteilung auf mehrere Schulen ist damit nicht möglich. Wir werden diese sicher gut gedachte, aber in unserem Fall leider kontraproduktive Einschränkung mit dem Sächsischen Sozialministerium besprechen.

Fazit: Die Aussage ist plausibel. Jetzt muss eine Lösung gefunden werden, wie allen Schulen, die Bedarf an Schulsozialarbeit angemeldet haben, effektiv geholfen werden kann.

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